Schlechte Gründe, eine Erbschaft auszuschlagen

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RA Franze

Die Entscheidung, eine Erbschaft auszuschlagen, sollte nicht leichtfertig getroffen werden. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass nur in seltenen Fällen eine Ausschlagung tatsächlich die wirtschaftlich vernünftigste Lösung ist. Wenn Sie erfahren, dass Sie geerbt haben und über eine Ausschlagung nachdenken, dann brauchen Sie vor allem zwei Dinge: Zeit und guten Rat. Damit die nur sehr knapp bemessene Frist zur Ausschlagung nicht ungenutzt verstreicht, sollten Sie vor einer Ausschlagung sich von einem auf Erbrecht spezialisierten Anwalt beraten lassen. 

Es gibt verschiedene Gründe, warum Erbschaften ablehnt werden. Leider stelle ich fest, dass Mandanten oftmals nicht in der Lage sind, eine für sie vorteilhafte Entscheidung zu treffen. In der schwierigen Situation kurz nach dem Tod eines Angehörigen möchte man sich verständlicherweise nicht mit unbekannten Bankdokumenten, Grundbuchauszügen und Unternehmenszahlen beschäftigten. Doch gerade diesen komplexe Dokumente sind der oft einzige Weg, wie Sie Auskunft über die Höhe des Nachlassvermögen gewinnen können. In meinem heutigen Artikel beleuchtet ich die wichtigsten Aspekte und Fragen zum Thema Ausschlagung und hoffe Ihnen damit ein wenig Orientierung geben zu können.

 

Was bedeutet es, eine Erbschaft auszuschlagen?

Mit der Ausschlagung der Erbschaft erklären Sie verbindlich, dass Sie nicht Rechtsnachfolger einer verstorbenen Person werden möchten. Erfolgte die Ausschlagung fristgerecht, so gehen weder Vermögen, noch Schulden des Verstorbenen auf Sie über:

  • Erbschaft ausschlagen: Der Verzicht auf den Nachlass eines Verstorbenen.
  • Rechtsfolge: Der Erbe wird durch die Ausschlagung wieder zum Nichterben und so behandelt, als ob er im Kontext des Erbrechts niemals existiert hätte (§ 1953 BGB).

 

Warum könnte man eine Erbschaft ausschlagen?

Eine Erbschaft abzulehnen ist nicht ungewöhnlich und kann aus verschiedenen Gründen erfolgen. Sollte ein Erblasser kein nennenswertes Vermögen und zusätzlich sogar Schulden vererben, dann sollte eine Ausschlagung in Betracht gezogen werden. Schulden sind jedoch nicht per se eine Grund für eine Ausschlagung, solange Sie keinen Überblick über das Vermögen haben.

  • Überschuldung des Nachlasses: Die sichere Kenntnis, dass du Schulden das Nachlassvermögen übersteigen, kann für eine Ausschlagung sprechen.
  • Belastungen und Verpflichtungen: Das Erbe ist mit Bedingungen und Auflagen verknüpft, die Sie nicht erfüllen können oder möchten.
  • Steuerliche Belastungen: Hohe Erbschaftssteuern können eine Erbschaft unattraktiv machen. In bestimmten Konstellationen können Familien über eine Ausschlagung beachtlich Steuern sparen. Dies hängt letztlich davon ab, wie die gesetzliche Erbfolge im Einzelfall aussieht.
  • Familiäre Konflikte: Persönliche oder familiäre Gründe können eine Rolle spielen, dass man von einer bestimmten Person kein „Geldgeschenk“ haben möchte.

 

Wie oft werden „ungerechte“ Erbschaften ausgeschlagen?

Der Sohn, der sich nie hat blicken lassen, soll laut Testament mehr erben als die Tochter, die sich um die Eltern gekümmert hat. In der Patchworkfamilie führt die gesetzliche Erbfolge zu unfairen Vermögensverschiebungen, so dass das Stiefkind mehr erben kann, als das leibliche Kind. So ungerecht es ist, so häufig kommt es dennoch vor. Immer wieder erlebe ich als Anwältin, dass Bekannte davon ausgehen, dass jemand aus moralischen Gründen „bestimmt etwas nicht vom Erbe verlangen wird“, anstatt eine klare erbrechtliche Lösung über ein Testament herbeizuführen.

In einer Illustren Runde mit anderen Erbrechtsanwälten kam die Frage auf, wie oft in der Praxis der Fall eintritt, dass jemand eine Erbschaft ausschlägt, weil das Erbe jedenfalls moralisch einer anderen Person zu steht. Was tippen Sie? Anwaltskollegen mit dreißig Jahren Berufserfahrung kamen teilweise auf ein bis zwei Fälle – in drei Jahrzehnten. In meiner Kanzlei kam es noch zu keiner einzigen Ausschlagung aus der Motivation heraus, dass das Geld moralisch doch jemand anderes gehören sollte.

Das Paradebeispiel sind hierbei Patchworkfamilien. Ohne Testament führt der Tod von Eltern in Patchworkfamilien zu einem erbrechtlichen Chaos, dass sehr viel Konfliktpotenzial beinhaltet. Zu oft habe ich die fatale Falschannahme gehört, dass „es wohl klar sei, dass jedes Kind nur von seinem leiblichen Elternteilerben wird“. Ich werde an anderer Stelle diesem großen Problembereich mehr Zeilen widmen: Schlimmer wird es nicht: Patchworkfamilien im Erbrecht (LINK)

Überschuldeter Nachlass

Schulden übersteigen das Vermögen

Ein häufigster Grund, eine Erbschaft auszuschlagen, ist ein überschuldeter Nachlass:

  • Verbindlichkeiten: Wenn die Verbindlichkeiten des Verstorbenen höher sind als das hinterlassene Vermögen, kann der Erbe durch Annahme der Erbschaft in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
  • Beispiel aus München: Herr Müller erbte die Wohnung seines verstorbenen Bruders in München. Nach eingehender Prüfung stellte sich heraus, dass die Wohnung hoch verschuldet war und die Hypotheken- und Kreditverpflichtungen das Vermögen bei weitem überstiegen. Herr Müller entschied sich daher, die Erbschaft auszuschlagen.

 

Haftung für Schulden

Durch die Annahme einer Erbschaft haftet der Erbe auch für die Schulden des Verstorbenen (§ 1967 BGB):

  • Gesamtschuldnerische Haftung: Der Erbe haftet mit seinem gesamten Privatvermögen für die Schulden des Erblassers.
  • Insolvenzrisiko: Bei hoher Verschuldung kann dies zur Privatinsolvenz des Erben führen.

 

Belastungen und Verpflichtungen

Pflegeverpflichtungen

Der Nachlass kann auch Verpflichtungen enthalten, die der Erbe nicht erfüllen kann oder will:

  • Pflege von Angehörigen: Eine Erbschaft kann die Pflicht zur Pflege eines anderen Angehörigen beinhalten.
  • Beispiel aus München: Frau Schmidt sollte von ihrer Tante ein Haus erben, das jedoch die Bedingung enthielt, dass sie den pflegebedürftigen Onkel weiterhin versorgt. Da Frau Schmidt selbst gesundheitliche Probleme hatte, entschied sie sich, die Erbschaft auszuschlagen.

 

Verpflichtungen aus Mietverträgen

Immobilien im Nachlass können bestehende Mietverträge und damit verbundene Verpflichtungen beinhalten:

  • Vermieterpflichten: Reparaturen, Instandhaltungen und Mietstreitigkeiten können erhebliche Belastungen darstellen.
  • Beispiel aus München: Herr Becker erbte ein Mehrfamilienhaus in München mit mehreren Mietern. Angesichts der hohen Instandhaltungskosten und laufender Mietstreitigkeiten entschied er sich, die Erbschaft auszuschlagen.

 

Familiäre Konflikte

Persönliche Gründe

Manchmal können auch persönliche Gründe eine Rolle spielen:

  • Zerstrittene Familienverhältnisse: Ein Erbe möchte möglicherweise nicht in den Besitz von Vermögenswerten einer Person gelangen, mit der er zerstritten war.
  • Emotionale Belastung: Der Besitz bestimmter Gegenstände kann emotional belastend sein.

 

Erbstreitigkeiten vermeiden

Durch das Ausschlagen einer Erbschaft lassen sich oft auch Erbstreitigkeiten vermeiden:

  • Konflikte unter Erben: Um Streitigkeiten zwischen Erben zu vermeiden, kann es sinnvoll sein, auf die Erbschaft zu verzichten.
  • Beispiel aus München: Frau Maier entschied sich, die Erbschaft ihrer Mutter auszuschlagen, um den Konflikt mit ihren Geschwistern zu vermeiden, da sie wusste, dass diese ebenfalls Anspruch auf das Erbe erheben würden.

 

Steuerliche Belastungen

Erbschaftssteuer

Hohe Erbschaftssteuern können die Attraktivität einer Erbschaft mindern:

  • Steuerklasse und Freibeträge: Abhängig von der Verwandtschaftsbeziehung zum Erblasser gelten unterschiedliche Steuerklassen und Freibeträge (§§ 15, 16 ErbStG).
  • Steuerlast: Bei großen Vermögenswerten können die Steuern so hoch sein, dass sie den Wert der Erbschaft erheblich schmälern.

 

Beispiel aus München

Herr Wagner erbte eine wertvolle Immobilie in München von einem entfernten Verwandten. Aufgrund geringer Freibeträge und hoher Immobilienwerte belief sich die Erbschaftssteuer auf einen beträchtlichen Betrag, den Herr Wagner nicht aufbringen konnte. Er entschied sich daher, die Erbschaft auszuschlagen.

Ablauf der Ausschlagung einer Erbschaft

Fristen

  • Sechs-Wochen-Frist: Die Ausschlagung muss innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnisnahme der Erbschaft erfolgen (§ 1944 BGB).
  • Auslandserbschaften: Bei Erbschaften im Ausland verlängert sich die Frist auf sechs Monate.

 

Erklärung der Ausschlagung

  • Formvorschriften: Die Ausschlagung muss gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden (§ 1945 BGB).
  • Notarielle Beurkundung: Die Erklärung kann auch vor einem Notar abgegeben werden.

 

Rechtliche Folgen

  • Rückwirkende Wirkung: Die Ausschlagung wirkt rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Erbfalls (§ 1953 BGB).
  • Nächster Erbe: Der nächste gesetzliche Erbe rückt an die Stelle des ausschlagenden Erben.

 

Beispiel eines weiteren Falls

Frau Bauer erhielt nach dem Tod ihres Vaters die Nachricht über eine Erbschaft. Da sie jedoch wusste, dass ihr Vater erhebliche Schulden hinterlassen hatte, ging sie innerhalb der sechs Wochen zum Nachlassgericht in München und erklärte die Ausschlagung der Erbschaft. Damit wurde sie rechtlich so behandelt, als hätte sie die Erbschaft nie angenommen.

 

Häufig gestellte Fragen zur Ausschlagung einer Erbschaft

Der Erbfall ist noch nicht eingetreten, aber die Erbschaft

Kann die Ausschlagung einer Erbschaft rückgängig gemacht werden?

Ja, eine zunächst erklärte Ausschlagung kann angefochten werden. Die wirksame Anfechtung stellt dann die Annahme de Erbschaft dar (§ 1957 BGB).

Welche Kosten entstehen bei der Ausschlagung einer Erbschaft?

Die Kosten für die Ausschlagung können je nach Aufwand und Höhe des Nachlasses variieren. Notargebühren und Gerichtskosten fallen an (§ 34 GNotKG).

Kann auch nur ein Teil der Erbschaft ausgeschlagen werden?

Nein, die Ausschlagung ist nur bezüglich des gesamten Erbes möglich, wenn Sie Alleinerbe sind. Sollte Ihnen nur ein Anteil an der Erbschaft zustehen, dann wird dieser Erbteil ausgeschlagen.

Wer übernimmt die Schulden, wenn die Erbschaft ausgeschlagen wird?

Der nächste gesetzliche Erbe übernimmt die Schulden des Erblassers (§ 1953 BGB).

Was passiert, wenn alle Erben die Erbschaft ausschlagen?

Wird die Erbschaft von allen Erben ausgeschlagen, fällt der Nachlass an den Staat (§ 1936 BGB).

Fazit

Es gibt viele Gründe, warum jemand eine Erbschaft ausschlagen möchte. Ob finanzielle, persönliche oder steuerliche Gründe – die Entscheidung sollte sorgfältig abgewogen werden. Besonders in Fällen von überschuldeten Nachlässen oder hohen steuerlichen Belastungen kann die Ausschlagung sinnvoll sein. Wichtig ist, die gesetzlichen Fristen und Formvorschriften zu beachten, um rechtliche Nachteile zu vermeiden. Durch die richtige Planung und rechtzeitige Ausschlagung können unerwünschte finanzielle Belastungen und familiäre Konflikte vermieden werden.