So erkennen Sie einen Erbschleicher in der Familie

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RA Franze

Aus meiner Erfahrung als Anwältin darf ich Ihnen sagen, das Erbschleicherei innerhalb der Familie ein leider öfters vorkommendes Thema ist. Erbschleicher nutzen ihre Nähe zum zukünftigen Erblasser mit dem Ziel sich Vermögensvorteile zu verschaffen aus. Das Perfide an diesem sensiblen Thema ist, dass andere Familienangehörige meist erst nach dem Tod erfahren, dass zum Beispiel Testamente geändert wurden. Erbschleicherei bedeutet nicht nur einen Vermögensverlust, sondern immer auch einen massiven Vertrauensschaden. Aus den mir bekannten Schilderungen zeigt sich jedoch, dass es Warnhinweise auf den vonstatten gehenden Lug und Betrug geben hätte.
Ich möchte deswegen den heutigen Beitrag dafür nutzen, Ihnen Hinweise und praktische Tipps an die Hand zu geben, wie Sie Erbschleicher erkennen und was Sie tun können, um sich selbst und Ihr Erbe zu schützen.

Was versteht man unter Erbschleicherei?

Erbschleicherei ist eine sensible Angelegenheit. Einerseits soll niemandem etwas Unlauteres unterstellt werden, wenn man sich um einen älteren Menschen kümmert und Interesse für ihn zeigt. Andererseits werden Angehörige meist erst dann misstrauisch, wenn es fast schon zu spät ist. Erbschleicherei muss eher als ein schleichender Prozess verstanden werden, der sich über längere Zeiträume erstrecken kann.

  • Ausnutzung von Schwäche: Erbschleicher wittern ihrer Chance bei Menschen, die sich in einem geschwächten Zustand befinden. Es kann sich um geistige oder körperliche Einschränkungen handeln, Krankheiten, Ängste, Einsamkeit oder auch Gutgläubigkeit und Unerfahrenheit in rechtlichen Dingen.
  • Manipulation: Erbschleicher manipulieren ihr Opfer und bringen den Betroffenen in eine psychische, emotionale Abhängigkeit. Zu anfangs ist das Handeln meist noch nicht darauf ausgerichtet, sich selbst oder Dritten Vermögensvorteile zu verschaffen.
  • Veränderung von Dokumenten: Wurde das Vertrauen verfestigt, beginnen Erbschleicher zügig damit vollendete Tatsachen zu schaffen. Es kommt meist zu ersten Vermögensverschiebungen zugunsten der Erbschleicher, zum Beispiel Geldgeschenke. Doch dann werden auch bestehende Testamente geändert, möglicherweise wird auch zum ersten Mal ein letzter Wille verfasst. Gleiches gilt für Vollmachten zu Bankkonten und Vorsorgedokumente.

 

Beispiel aus München

Frau Müller aus München-Harlaching bemerkte, dass ihre Mutter plötzlich eine enge Beziehung zu einem entfernten Cousin entwickelte, der zuvor keinen Kontakt zur Familie hatte. Auf ihre letzten Tage kommt er regelmäßig zu Besuch und schick großzügige Geschenke. Vor allem aber beginnt er Zwietracht zu säen und macht andere Verwandte vor der Mutter schlecht. Die Mutter isolierte sich zunehmend von ihrer Familie und änderte ihr Testament zugunsten des Cousins. Nach ihrem Tod stellten die Verwandten fest, dass es ebenso ungewöhnliche Transaktionen auf ihrem Bankkonto zugunsten des Cousins gab.

Es handelt sich hierbei um eine klassische Konstellation der Erbschleicherei. Unter Umständen können die Beträge aus den Banküberweisungen zumindest teilweise durch die Erben zurückgefordert werden. Doch die schlechte Nachricht dabei ist eine häufig sehr ungünstige Beweislage für meine Mandanten. Bevor wir darüber sprechen, was getan werden kann, wenn es eigentlich fast schon zu spät ist, möchte ich Sie für warnende Anzeichen sensibilisieren:

Berechtigte Gründe für Misstrauen

Wenn Ihnen folgende Veränderungen im Leben alter Angehöriger, Ihrer Bekannten oder Freunden, auffallen, dann sollten Sie zumindest hellhörig werden:

Veränderungen im Verhalten

  • Plötzliche Nähe: Zuvor wenig präsente Personen, die auf einmal sehr viel Zeit mit einem alten Menschen verbringen, bei ihm Zuhause sogar einziehen oder ihn mit in den Urlaub nehmen.
  • Einflussnahme: Die Person wird innerhalb kurzer Zeit zur Vertrauensperson und bekommt Rechte eingeräumt, wie Zugang zum Bankkonto.
  • Isolation: Sobald es zu einem nicht nachvollziehbaren Rückzug von anderen vertrauten Menschen kommt und sich der Angehörige nur noch auf eine einzelne Person fokussiert, besteht akuter Handlungsbedarf.

 

Finanzielle Unregelmäßigkeiten

  • Ungewöhnliche Geldbewegungen: Plötzlich auftretende hohe Ausgaben, die sich nicht erklären lassen. Ein Gespräch darüber, für was das Geld verwendet wurde, wird abgelehnt.
  • Zugriff auf Konten: Teils wissen die Kontoinhaber selbst nicht über ungewöhnliche Bewegungen auf ihren Bankkonten Bescheid. Insbesondere wenn die Bankkarte und PIN einem Dritten für Einkäufe und Besorgungen überlassen wurde, steigt das Risiko für unbefugte Geldabhebungen.

 

Maßnahmen zum Schutz vor Erbschleicherei

Je klarer und verbindlicher die Verhältnisse sind, desto weniger wird Erbschleichern ein Einfallstor geboten. Als Angehöriger bedeutet das:

  • Zuverlässigkeit: Im Umgang mit älteren Familienangehörigen ist Verbindlichkeit wichtig. Ältere Menschen sind schnell verunsichert. Vereinbaren Sie zum Beispiel feste, wöchentliche Termine für Telefonate, wenn Sie nicht in der Nähe wohnen.
  • Verantwortung übernehmen: Lagern Sie wichtige Aufgaben, die Vertrauen voraussetzen nicht an Dritte aus. Dazu gehören beispielsweise Bankgeschäfte und das Abheben von Bargeld.
  • Vertiefen Sie das Vertrauen: Es sind wie oft im Leben die kleinen Gesten, die unser Vertrauen in andere wachsen lassen. Hören Sie zu . Seien Sie da, wenn Unterstützung benötigt wird.
  • Offene Gespräche: Sprechen Sie offen darüber, ob ein Testament geschrieben wurde oder dies noch geschehen sollte.
  • Beratung vom Anwalt für Erbrecht: Lassen Sie sich anwaltlich beraten, wie ein Letzter Wille vor Manipulation zu einem späteren Zeitpunkt geschützt werden kann.

 

Beispiel aus München-Solln: Herr Becker

Herr Becker aus München-Solln ließ sein Testament von einem Notar erstellen, da er dachte, auf diese Weise sicherzustellen, dass es nicht manipuliert werden konnte. Seine Kinder leben aus beruflichen Gründen im Ausland. Im Alltag wird Herr Becker von einer Pflegekraft unterstützt, zu der er ein Vertrauensverhältnis aufbaut.

Die Pflegekraft wittert ihre Chance. Sie redet Herrn Becker ein, dass er seinen Kindern nicht viel bedeuten könne, schließlich kommen sie nicht aus dem Ausland zurück, um mehr Zeit mit ihrem alten Vater zu verbringen. Nachdem die ansonsten regelmäßigen Telefongespräche immer seltener werden, da Herr Becker laut seiner Pflegekraft, nicht mit seinen Kindern sprechen möchte, beginnen sich die Kinder zu sorgen.

Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass nach dem Tod die Angehörigen feststellen müssen, dass ein alter Mensch systematisch von seinen Angehörigen isoliert wurde.

 

Rechtliche Schritte gegen Erbschleicher

Wenn bei einem Erbfall der Verdacht besteht, dass das Testament gefälscht oder manipuliert wurde, dann sollten Sie in jedem Fall einen Rechtsanwalt für Erbrecht aufsuchen. Der Anwalt wird mit Ihnen u.a. die Möglichkeit einer Testamentsanfechtung analysieren. Darüber hinaus können Täuschungen in diesem Kontext auch strafrechtlich relevant sein.

Beispiel aus Freising: Herr Fischer

Herr Fischer aus Freising stellte nach dem Tod seines Vaters fest, dass dessen Testament zugunsten einer entfernten Verwandten geändert worden war.

Wenn Sie feststellen, dass ein Testament auffällig ist, dann lassen Sie sich von einem spezialisierten Anwalt für Erbrecht beraten. Der Erbrechtsexperte wird ihnen erklären, was für eine Beeinflussung spricht, wie Sie Beweise für die Manipulation sammelten und wird für Sie das Testament vor Gericht anfechten. Grundsätzlich bedarf es für eine erfolgreiche Testamentsanfechtung folgendes:

Anfechtung des Testaments

  • Anfechtungsgründe: Ein Testament kann wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung angefochten werden (§ 2078 BGB).
  • Fristen: Die Anfechtung muss innerhalb eines Jahres erfolgen, nachdem Sie Kenntnis vom Anfechtungsgrund erlangt haben (§ 2082 BGB).

 

Problem: Beweise gegen den Erbschleicher

Der Getäuschte ist verstorben, der Erbschleicher gibt sich unschuldig und Sie werden nun nach Beweisen gefragt. Lassen Sie sich anwaltlich beraten, welche Beweise Sie sichern müssen. Erst wenn eine Klage ausreichende Aussicht auf Erfolg hat, wird Ihr Anwalt für Sie die Rechtmäßigkeit des Testaments gerichtlich überprüfen lassen.

 

Häufig gestellte Fragen zum Thema Erbschleicherei

Was kann ich tun, wenn ich Erbschleicherei vermute?

  • Hören Sie auf Ihren Bauch: Nehmen Sie die Vermutung ernst.
  • Rechtsanwalt einschalten: Konsultieren Sie umgehend einen Anwalt, um eine Strategie für das weitere Vorgehen festzulegen und rechtliche Schritte einzuleiten.
  • Beweissicherung: Sammeln Sie Beweise und dokumentieren Sie verdächtige Aktivitäten. Hierfür ist es vorteilhaft, wenn Sie weiter ahnungslos geben und niemanden aufschrecken.

 

Wie kann ich verhindern, dass mein Testament manipuliert wird?

Insbesondere Menschen, die ein besonders hohes Risiko für Demenz oder andere neurologische Erkrankungen haben, fürchten die Einflussnahme von Dritten. Tatsächlich ist es auch psychologisch beruhigend zu wissen, dass „alles geregelt“ ist. Aus diesem Grund sollten Sie sich rechtzeitig beraten zu den Themen Testament, Vorsorgevollmachten und Patientenverfügung informieren oder beraten lassen. Indem Sie sich selbst mit diesen wichtigen Dokumenten auseinandersetzen, geben Sie sich selbst die Sicherheit, nicht auf eine spätere Manipulation reinzufallen.

  • Vorsorgevollmacht: Erstellen Sie eine Vorsorgevollmacht, um im Falle von Geschäftsunfähigkeit eine vertrauenswürdige Person mit der Verwaltung Ihres Vermögens zu betrauen.
  • Patientenverfügung: Legen Sie fest, welche medizinischen Maßnahmen im Ernstfall ergriffen werden sollen.
  • Testament: Schreiben Sie Ihren Letzten Willen handschriftlich nieder oder lassen Sie das Testament von einem Anwalt erstellen und notariell beglaubigen.

 

Kann ich mein Testament jederzeit ändern?

Ja, Sie können Ihr Testament jederzeit ändern oder widerrufen, unabhängig davon, ob Ihr Testament notariell beurkundet oder selbst geschrieben wurde. Es gilt jedoch die Einschränkung, dass Sie im Vollbesitz Ihrer geistiger Kräfte sein müssen, also testierfähig sind (§ 2253 BGB). Wenn Sie sich zu einer Änderung Ihres Testaments entscheiden, sollten Sie sich dabei immer Ihre Motivation bewusst machen.

 

Ich möchte mein Testament ändern, aber meinen Familie wird nicht erfreut sein. Wie sorge ich dafür, dass mein Letzter Wille nicht angefochten wird?

  • Zeugen und Videoaufzeichnungen: Nutzen Sie Zeugen und lassen Sie Videoaufzeichnungen herstellen, die Sie bei der Erstellung oder Änderung Ihres Testaments zeigt.
  • Begutachtung durch Hausarzt: Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt und lassen Sie sich Ihre Testierfähigkeit bestätigen. Entbinden Sie den Arzt von seiner Schweigepflicht.

 

Fazit

Erbschleicherei in der Familie ist ein ernstes Problem, das durch rechtliche Schritte, vor allem aber durch präventive Maßnahmen im sozialen Umfeld bekämpft werden kann. Selbstverständlich hat jeder das Recht sein Testament zu ändern. Selbst ein irrationale, schwer nachvollziehbare Motivation des Testierenden muss respektiert werden. Jedoch muss es sich auch dabei um den freien Willen eines Geschäftsfähigen handeln.

Wenn Sie den Verdacht haben, dass ein Testament zu Ihrem Nachteil manipuliert wurde, dann vereinbaren Sie gerne einen Termin für eine Beratung.

Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar und wurde nach bestem Wissen erstellt.