Wenn die Eltern von den Kindern erben

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RA Franze

Das Thema, dass Eltern von ihren eigenen Kindern erben, ist ein sensibles und oft emotionales Anliegen. Es stellt eine umgekehrte Erbfolge dar und wirft viele rechtliche, finanzielle und persönliche Fragen auf. Dieser ausführliche Ratgeber bietet eine umfassende Übersicht über alle wichtigen Aspekte, die berücksichtigt werden sollten.

 

Wichtige Grundlagen

Was bedeutet es, wenn Eltern von ihren Kindern erben?

Das Erben von Eltern von ihren Kindern ist eine umgekehrte Erbfolge, die gesetzlich geregelt ist. Es tritt in Kraft, wenn ein Kind verstirbt und Vermögenswerte hinterlässt. Diese Situation kann besonders belastend sein, da sie zusätzlich zur Trauer über den Verlust des Kindes auch rechtliche und steuerliche Herausforderungen mit sich bringt.

 

Unterschied zwischen gesetzlicher und testamentarischer Erbfolge

Es gibt zwei Hauptwege, wie Vermögen nach dem Tod eines Kindes verteilt werden kann: durch die gesetzliche Erbfolge oder durch eine testamentarische Verteilung.

  • Gesetzliche Erbfolge: Tritt ein, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt. Hierbei wird der Nachlass nach den gesetzlichen Bestimmungen verteilt.
  • Testamentarische Erbfolge: Der Nachlass wird gemäß den Wünschen des Verstorbenen verteilt, wie sie im Testament oder im Erbvertrag festgelegt sind.

 

Gesetzliche Erbfolge

Erbfolge im Todesfall eines Kindes ohne Nachkommen

Wenn ein unverheiratetes und kinderloses Kind verstirbt, greift die gesetzliche Erbfolge. In diesem Fall erben die Eltern zu gleichen Teilen:

  • Vater und Mutter des verstorbenen Kindes erben jeweils die Hälfte des Nachlasses.
  • Falls ein Elternteil bereits verstorben ist, erben dessen Nachkommen (Geschwister des verstorbenen Kindes) dessen Anteil.

 

Erbfolge im Todesfall eines Kindes mit Nachkommen

Falls das verstorbene Kind eigene Kinder hat, erben diese zuerst. Die Eltern des Verstorbenen treten dann in den Hintergrund:

  • Die eigenen Kinder des verstorbenen Kindes erben den gesamten Nachlass.
  • Die Eltern erben nur, wenn keine Nachkommen (Kinder oder Enkelkinder) vorhanden sind.

 

Pflichtteilsansprüche

Pflichtteil der Eltern

Eltern haben einen Pflichtteilsanspruch, wenn sie durch ein Testament oder einen Erbvertrag vom Erbe ausgeschlossen werden:

  • Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
  • Dieser Anspruch muss in Geld ausgezahlt werden und nicht in Form von Sachwerten.

 

Berechnung des Pflichtteils

Um den Pflichtteil zu berechnen, wird zunächst der gesetzliche Erbteil der Eltern ermittelt. Der Pflichtteil entspricht dann der Hälfte dieses gesetzlichen Erbteils.

 

Steuerliche Aspekte

Erbschaftsteuer

Beim Erben von Kindern fällt ebenfalls Erbschaftsteuer an. Die Höhe der Steuer richtet sich nach dem Wert des Nachlasses und dem Verwandtschaftsgrad zum Erblasser.

  • Eltern gehören zur Steuerklasse II.
  • Für Eltern gilt ein Steuerfreibetrag von 20.000 €.
  • Je nach Höhe des Nachlasses variieren die Steuersätze zwischen 15 % und 43 %.

 

Bewertung des Nachlasses

Zur Berechnung der Erbschaftsteuer wird der gesamte Wert des Nachlasses herangezogen, einschließlich Immobilien, Geldvermögen, Wertpapiere und sonstiger Vermögenswerte. Eine realistische und genaue Bewertung ist entscheidend, um die korrekte Steuerlast zu ermitteln.

 

Praktische Tipps für Eltern

Testament als Kind erstellen

Es kann sinnvoll sein, dass Kinder frühzeitig ein Testament erstellen, um klare Vorgaben für die Verteilung ihres Vermögens zu machen und Streitigkeiten zu vermeiden. Ein gut formuliertes Testament hilft, den letzten Willen des Kindes eindeutig festzulegen.

  • Formulieren Sie klare und eindeutige Verfügungen.
  • Benennen Sie gegebenenfalls einen Testamentsvollstrecker zur Abwicklung des Nachlasses.

 

Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Zusätzlich zum Testament sollten Kinder auch eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung erstellen. Diese Dokumente sichern ab, wer im Falle einer Entscheidungsunfähigkeit rechtliche und medizinische Angelegenheiten regeln darf.

  • Vorsorgevollmacht: Regelt, wer im Falle einer Entscheidungsunfähigkeit die rechtlichen Angelegenheiten des Kindes übernehmen darf.
  • Patientenverfügung: Legt fest, welche medizinischen Maßnahmen im Ernstfall gewünscht oder abgelehnt werden.

 

Praxistipps für Eltern, die erben

Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft

Eltern haben die Möglichkeit, eine Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen. Diese Entscheidung sollte gut überlegt sein, insbesondere wenn der Nachlass überschuldet ist.

  • Annahme der Erbschaft: Die Eltern übernehmen den gesamten Nachlass, einschließlich aller Rechte und Pflichten.
  • Ausschlagung der Erbschaft: Die Eltern verzichten auf das Erbe. Dies ist insbesondere sinnvoll, wenn der Nachlass überschuldet ist oder die Verwaltung des Erbes zu komplex erscheint.

 

Verwaltung des Nachlasses

Nach der Annahme der Erbschaft müssen die Eltern den Nachlass verwalten. Dazu gehört die Überprüfung und Regelung aller offenen Verpflichtungen des verstorbenen Kindes sowie die Verwaltung und gegebenenfalls der Verkauf von Immobilien und anderen Vermögenswerten.

  • Erstellung einer Nachlassübersicht und Einreichen der Erbschaftsteuererklärung beim Finanzamt.
  • Klärung offener Schulden und Verbindlichkeiten.
  • Eventuelle Liquidierung von Vermögenswerten zur Deckung von Erbschaftsteuern und laufenden Kosten.

 

Beispiele aus der Praxis

Beispiel 1: Das vererbte Haus in München

Herr Meier vererbte seinen Eltern ein Haus in München. Da das Haus einen hohen Verkehrswert hatte, fiel eine beträchtliche Erbschaftsteuer an. Um die Steuerlast zu finanzieren, entschieden sich die Eltern, das Haus zu verkaufen und mit dem Erlös die Steuer zu begleichen.

 

Beispiel 2: Der geerbte Aktienbestand

Frau Schmidt hinterließ ihrem Vater einen umfangreichen Aktienbestand. Aufgrund der guten Performance der Aktien war der steuerliche Freibetrag von 20.000 € schnell überschritten. Der Vater entschied sich, einen Teil der Aktien zu verkaufen, um die anfallende Erbschaftsteuer zu bezahlen und den Rest als Kapitalanlage zu behalten.

 

Beispiel 3: Das noch nicht abbezahlte Auto

Ein junger Mann verstarb tragisch bei einem Autounfall und hinterließ seinen Eltern ein noch nicht abbezahltes Auto. Die Eltern mussten die Restschuld des Autokredits übernehmen, entschieden sich jedoch, das Fahrzeug weiter zu nutzen und die Kreditraten abzuzahlen.

 

Beispiel 4: Der überschuldete Nachlass

Eine junge Frau hinterließ ihren Eltern einen überschuldeten Nachlass. Da die Schulden den Wert des Vermögens überstiegen, entschieden sich die Eltern, die Erbschaft auszuschlagen, um nicht für die Schulden des verstorbenen Kindes haften zu müssen.

 

Beispiel 5: Die vererbte Eigentumswohnung

Ein Student vererbte seinen Eltern eine Eigentumswohnung in einer anderen Stadt. Da die Eltern die Wohnung nicht selbst nutzen wollten, entschieden sie sich, diese zu vermieten. Die Mieteinnahmen deckten die laufenden Kosten und ermöglichten zudem eine zusätzliche Einnahmequelle.

 

Zusammenfassung

Das Erben von Eltern von ihren eigenen Kindern ist eine emotionale und komplexe Angelegenheit, die sorgfältige Planung und fundierte Entscheidungen erfordert. Von der gesetzlichen Erbfolge über Pflichtteilsansprüche bis hin zu steuerlichen Aspekten gibt es viele Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Eine frühzeitige und umfassende Planung kann dazu beitragen, dass der Nachlass im Sinne des Verstorbenen geregelt wird und die Eltern bestmöglich profitieren.

Es ist ratsam, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen und gegebenenfalls professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen und steuerlichen Anforderungen erfüllt sind und der Nachlass reibungslos übergeht. Eine durchdachte Vorsorge und klare Regelungen im Testament können viele Probleme im Vorfeld vermeiden und den Eltern in dieser schwierigen Zeit Sicherheit bieten.